12. Januar 2021
Der Trierische Volksfreund hat sich bei den Schachvereinen in der Region umgehört, wie Corona die Vereine beeinflusst. Der 2. Vorsitzende der SG Trier, Christoph Görres, im Gespräch.
Am 11. Januar 2021 veröffentlichte der Trierische Volksfreund einen Streifzug durch die Region mit besonderem Blick auf die Schachvereine in der Corona-Zeit.
Hier findet ihr das vollständige Interview mit dem 2. Vorsitzenden der SG Trier, Christoph Görres:
Nein, das ist bei uns nicht feststellbar. Ohne Corona würde es uns als Verein besser gehen. Viele Kinder finden aus Schulschach-AGs den Weg zu uns. Diese AGs finden seit geraumer Zeit nicht mehr statt. Erwachsene Schachinteressierte finden in der Regel freitagsabends den Weg zu unserem offenen Spielabend, der ebenfalls coronabedingt nicht stattfindet. Ein tatsächliches physisches Kennenlernen lässt sich durch Online-Angebote einfach nicht ersetzen.
Zum Glück keinen einzigen.
Dass Damengambit ein solcher Erfolg geworden ist, liegt vermutlich an mehreren Faktoren: Zum einen ist Netflix in der momentanen Situation sehr nachgefragt, viele Menschen haben viel Zeit, um sich auf Netflix Serien anzusehen. Die Serie selbst ist sehr authentisch: Viele junge Schachtalente haben einen ähnlichen Weg genommen: Sie wurden von einem Trainer/Lehrer in den Bann gezogen, haben die Regeln erlernt, sind tiefer in die Materie eingestiegen, bis sie dann in irgendwelchen Schachzeitungen nach Turnieren in der Nähe suchen.
Es ist gut möglich, dass einige Zuschauer zum ersten Mal Schach bewusst wahrgenommen und Interesse entwickelt haben. Ob das aber zu einem Boom führt, der sich auch in Vereinsbeitritten zeigt, müssen wir abwarten.
Mir sind zwei Fälle bekannt, in denen Familien mit Kindern über die Serie "Damengambit" erstmals einen Zugang zum Schach bekommen haben und Eltern mit ihren Kindern Schach gespielt haben. Aber nach meiner Erfahrung droht dieses Interesse ohne Spiele gegen andere menschliche Gegner zu versanden.
Am Anfang - im März/April 2020 - war der Zulauf bei unseren Turnieren sehr stark. Im Sommer war die Resonanz dann aufgrund der dann möglichen alternativen Angebote niedriger. Seit November 2020 nehmen wieder mehr teil.
Die von uns veranstalteten Turniere sind Turniere mit kurzer Bedenkzeit ("Blitzschach") in verschiedenen Ausprägungen, z.B. 5 Minuten Bedenkzeit pro Spieler und Partie. Jeden Mittwoch findet ein solches vereinsinternes Turnier statt. Außerdem veranstalten wir freitags nach unserem Online-Jugendtraining verschiedenen Turniere, auch in spaßigen Schachformen wie z.B. Räuberschach (Beim Räuberschach geht es darum, als erster alle Figuren zu verlieren.). Darüber hinaus nehmen wir an verschiedenen Online-Ligen teil: Auf Lichess spielen wir zweimal wöchentlich als Team in einer Blitzschach-Liga mit Auf- und Abstieg. Ein besonderes Highlight: Vor einigen Wochen haben wir in einer Liga mit dem Verein des Schachweltmeisters Magnus Carlsen gespielt und Carlsen hat sich zwischendurch als Zuschauer einige Partien angesehen.
Außerdem nehmen wir auf der kostenlosen Plattform ChessBase an einem Turnier mit längerer Bedenkzeit teil, das vom deutschen Schachbund organisiert wird. Da geht es demnächst in die zweite Saison.
Neben den Turnieren bieten wir unser Training komplett online an. Dabei haben wir zwei Gruppen, einmal Anfänger und Fortgeschrittene. Unser Training ist übrigens offen für alle, falls also jemand dank "Damengambit" Lust aufs Schach bekommen hat, kann er oder sie gerne freitags ab 15 Uhr vorbeischauen.
Online fehlt der psychologische Aspekt: Man kann dem Gegner keine Nervosität ansehen, man sieht nicht auf welchen Bereich des Brettes er schaut und man hat online die Möglichkeit des "Pre-Moves". Man kann einen Zug eingeben, noch bevor der Gegner seinen Zug gemacht hat, um dann keine Bedenkzeit zu verlieren. Online wird auch mehr ausprobiert, man sieht seltenere Eröffnungen und es werden sehr gerne Königsangriffe gestartet, statt ein langsames, positionelles Spiel anzugehen. Das liegt mit Sicherheit neben der kurzen Bedenkzeit auch daran, dass es online kein Problem ist, mal eine Partie zu verlieren. Innerhalb weniger Sekunden kann die nächste Partie gestartet werden. Im "normalen" Schach ist das anders, da dauert es manchmal Wochen bis zur nächsten Partie und man muss sich ansehen, wie sich der Gegner über seinen Sieg freut.
In allererster Linie kann Schach so auf sich aufmerksam machen. Schach ist ein krisenfester Sport, da er weiter online stattfinden kann. Die Online-Angebote richten sich bisher viel an die Menschen, die ohnehin schon Schach spielen. Sowohl Online-Turniere als auch Online-Übertragungen mit hochklassigen Kommentatoren auf Plattformen wie zum Beispiel Twitch. Für uns steht daneben im Fokus, dass wir weiter auf die interessierten Nicht-Schachspieler zugehen. Da gibt es viele Chancen: Eine Videoserie für Einsteiger, Eltern-Kind-Kurse oder ein extra Trainingsangebot für absolute Neueinsteiger.
Ich bin überzeugt, dass es verstärkt Online-Turniere mit hohen Teilnehmerzahlen und hochklassigen Teilnehmerfeldern geben wird. Insbesondere mit Blick auf die Reichweite von Online-Übertragungen (Twitch, Youtube...) wird es für professionelle Schachspieler immer wichtiger, auch online präsent zu sein. Die Entwicklung hin zu mehr Online-Schach hat auch schon vor Corona begonnen und wurde durch die Pandemie beschleunigt.
Nach meiner Erfahrung treten viele Schach-Interessierte in einen Verein ein, egal ob sie online oder physisch mit Schach in Verbindung gekommen sind. Wer also über eine Online-Plattform, eine Netflix-Serie oder Youtube-Videos zum Schach gefunden hat, wird höchstwahrscheinlich bald in einen Verein eintreten. Denn Schach ist und bleibt ein Vereinssport. Daher sind Online-Plattformen keine Konkurrenz, sondern ein wichtiges Angebot vor allem für junge Schachspieler. Im Schachverein trifft man sich einmal wöchentlich zum Training und Spieleabend, man nimmt als Mannschaft am Ligabetrieb teil und fährt zusammen zu Turnieren. Und wenn man zwischendurch Lust auf Schach hat und der Verein geschlossen ist, spielt man online.